Folge 2: Was bedeutet eigentlich "Digitalisierung"?
Shownotes
Die Digitale Transformation hat einen umfassenden Einfluss auf alle Bereiche unserer Gesellschaft. Wir erleben das Zeitalter digital-analoger Lebensrealitäten.
Aber kann es sein, dass wir nochmal über diesen, über unseren digital-analogen Lebensraum nachdenken müssen? Kann es sein, dass wir noch immer nicht verstanden haben, wie der digitale Optionsraum aussieht? Kann es sein, dass wir (endlich) lernen müssen, diesen digital-analogen Lebensraum zu aktiv gestalten? Was passiert, wenn wir diesen Gestaltungsprozess nicht angehen? Und was bedeutet das alles für aktuelle und zukünftige Transformationsprozesse unserer Gesellschaft?
Der Deegitalitäten-Podcast beschäftigt sich mit der Gestaltung unseres digital-analogen Lebensraumes und in dieser zweiten Folge spreche ich über verschiedene Perspektiven auf die Themen Digitalisierung, Digitalität und Digitale Transformation. Die Diskussion über die Definitionen des Digitalen sind wichtig, denn nur wenn wir den digital-analogen Optionsraum verstehen, können wir ihn auch gestalten.
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Deegitalitäten Podcast Folge 2 – Was bedeutet Digitalisierung?
Digitalitäten, der Podcast über die Gestaltung des digital-analogen Lebensraums. Folge 2, was bedeutet eigentlich Digitalisierung? Herzlich willkommen zur zweiten Folge von Digitalitäten, dem Podcast über die Gestaltung des digital-analogen Lebensraums. Mein Name ist Christoph Deeg und in dieser zweiten Folge geht es um die Frage, worüber wir überhaupt reden, wenn wir über Themen wie Digitalisierung, Digitalität oder digitale Transformation reden.
Ich möchte zuerst erklären, warum ich darüber noch einmal reden möchte und die Antwort auf diese Frage ist verhältnismäßig einfach. Ich möchte darüber reden, weil ich der Meinung bin, dass wir es zu selten tun bzw. in der Vergangenheit zu selten getan haben.
Gewiss, wir reden viel über digitale Technologien und digitale Plattformen. Wir diskutieren die Chancen und Risiken, die sich aus der Nutzung von künstlicher Intelligenz ergeben. Wir diskutieren ebenso die Wirksamkeit oder auch Unwirksamkeit der Datenschutz-Grundverordnung.
Wir sprechen über LinkedIn, über Facebook, über Instagram und über TikTok. Ich persönlich spreche gerne über Kakao Talk und Discogs, aber was wir mit Digitalisierung meinen, was Digitalisierung für uns ist und was sie gegebenenfalls auch sein könnte, darüber diskutieren wir viel zu wenig. Und dann kann es passieren, dass ein paar Menschen zusammenkommen, sich einen ganzen Tag über ihre digitalen Projekte und Prozesse unterhalten und am Ende des Tages feststellen, dass sie die ganze Zeit aneinander vorbeigeredet haben, weil sie diese eine Frage vorab nicht geklärt haben.
Worüber reden wir überhaupt, wenn wir über Themen wie Digitalisierung oder digitale Transformation reden? Das Faszinierende ist, wann immer man Menschen fragt, was bedeutet eigentlich Digitalisierung, bekommt man ganz unterschiedliche Antworten. Und diese unterschiedlichen Antworten scheinen für sich irgendwie stimmig zu sein. Natürlich ist es klar, es gibt nicht diese eine für alle Menschen gültige und für alle Zeiten gültige Definition des Digitalen.
Und deshalb können die Menschen mir auch nicht eine gemeinsame Definition geben. Letztlich gesehen teilen die Menschen mit mir ihre individuellen Perspektiven auf das Digitale, ihre Erfahrungen und Wahrnehmungen. Und dann nehme ich diese unterschiedlichen Perspektiven und füge sie zusammen zu einem großen Bild.
Und dann kann ich zumindest für diesen Moment, wo ich mit den Menschen in den Dialog gegangen bin, ein Bild erzeugen, welches uns einen guten Einblick gibt in das, was für diese Gruppe von Menschen das Thema Digitalisierung bedeutet. Und das kann sich morgen schon geändert haben, denn diese Menschen können gegebenenfalls andere Erfahrungen gesammelt haben. Oder vielleicht ist es auch so, dass sie im Dialog über das, was wir da so definiert haben und geteilt haben, schon wieder neue Erkenntnisse, neue Sichtweisen entstehen.
Es geht also um Momentaufnahmen, es geht um Perspektiven und es geht um zusammengefügte Bilder, die nach wie vor auf sehr unterschiedlichen Wahrnehmungen und Erfahrungen basieren. Und diese unterschiedlichen Perspektiven erzeugen Wirkungen. Es entstehen Grundannahmen und diese Grundannahmen führen zu individuellen Denk- und Handlungsweisen.
Und deshalb ist es für die Gestaltung des digital-analogen Lebensraums so wichtig, dass man die unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema Digitalisierung sichtbar macht, sie sammelt, sie diskutiert und hinterfragt. Und das sollte man auch dann tun, wenn man der Meinung ist, dass das eigentlich doch schon getan wurde. Wenn man der Meinung ist, dass doch alles geklärt wäre und es keine offenen Fragen mehr gibt.
Denn es gibt immer irgendwo offene Fragen. Und es entstehen überall im digitalen Raum nahezu jede Sekunde neue Ideen, neue Konzepte, Denk- und Handlungsweisen, Muster und natürlich Vernetzungen. Und all das steht in Wechselwirkung zueinander.
Der von Menschen gemachte digital-analoge Lebensraum lässt sich aus meiner Sicht nur dann gestalten, wenn wir immer wieder die unterschiedlichen Definitionen des Digitalen diskutieren und weiterentwickeln. Nur dann sind wir in der Lage, auf die Dynamik dieses riesigen Systems vernünftig zu reagieren. Und nur dann sind wir in der Lage, gestalterische Elemente einzufügen, zu lernen, wie wir agieren können und vielleicht auch agieren müssten, um eine nachhaltige und umfassende Transformation mit und durch Digitalisierung zu ermöglichen.
Mir ist durchaus bewusst, dass das ein bisschen anstrengend klingt. Aber was wäre denn die Alternative? Glauben wir wirklich, wir können den digital-analogen Lebensraum mit seiner Dynamik und seinem Facettenreichtum umfassen und nachhaltig gestalten, ohne unsere Grundannahme und Perspektiven auf das Digitale kontinuierlich zu hinterfragen und weiterzuentwickeln? Nehmen wir als Beispiel das Thema künstliche Intelligenz. Dabei handelt es sich doch nicht nur um ein paar Prozesse oder Produkte.
Künstliche Intelligenz wird den digitalen Raum, wird unsere digital-analoge Lebensrealität umfassen und radikal verändern und erweitern. Es stellt sich also die Frage, wie wir auf solche Herausforderungen reagieren wollen. Sind wir bereit, unsere Grundannahmen und Perspektiven auf das Digitale kontinuierlich zu hinterfragen und zu erweitern oder verharren wir lieber in blinden Automatismen? Das ist etwas, was sich in Organisationen und Institutionen beobachten kann.
Irgendwann wurde mal eine Digitalstrategie entwickelt und dann folgt man dieser Digitalstrategie Monat um Monat, Jahr um Jahr. So als hätte sich die Welt, die digitale Welt nicht verändert. So als könnte man das die nächsten 100 Jahre so machen.
So als wäre es ein linearer Industrieprozess aus dem vorherigen Jahrhundert. Aber dieses neue Digitale, dieser digital-analoge Lebensraum funktioniert nach völlig anderen Mustern. Ich muss meine Perspektiven, meine Grundannahmen stetig hinterfragen.
Ich muss meine Wahrnehmung schärfen. Ich muss über meine eigenen Erfahrungen im Digitalen nachdenken, sie mit anderen teilen, um herauszufinden, was denn dann für uns dieses Digitale sein kann. Und das ist der Grund, warum ich in dieser zweiten Folge des Deegitalitäten-Podcasts diese eine Frage diskutieren möchte.
Worüber reden wir eigentlich, wenn wir über Themen wie Digitalisierung, Digitalität oder digitale Transformation reden? Und mir ist natürlich bewusst, dass auch ich nicht in der Lage sein werde, diese eine letzte, große, umfassende, für alle Zeiten und alle Menschen gültige Definitionen des Digitalen zu entwickeln. Was ich aber tun kann und was ich in dieser zweiten Podcast-Folge auch tun möchte, ist, unterschiedliche Perspektiven auf das Digitale zu diskutieren und zusammenzufassen, sodass ein Bild entsteht, das meine Perspektive auf das Digitale beschreibt. Und deshalb werde ich in dieser Podcast-Folge natürlich einige Gedanken von mir selbst, aber auch die Ideen und Konzepte von anderen Personen diskutieren und präsentieren.
Und das sind alles Ideen und Konzepte, die mich in meiner Arbeit, in meinem Leben in den letzten Jahren inspiriert haben. Und ja, dieses Bild ist unvollständig. Und ich möchte Sie euch alle herzlich einladen, Eure Ideen, Eure Gedanken, Eure Perspektiven auf das Thema Digitalisierung, auf das Thema Digitalität, auf das Thema Digitale Transformation zu sammeln und mit mir zu teilen.
Man kann das machen, indem man mir Mails schickt oder mich auf den verschiedenen Social Media Plattformen kontaktiert oder aber einfach nur die Kommentarfunktion der Plattformen nutzt, auf denen dieser Podcast veröffentlicht wird. Beginnen wir also unsere kleine Reise in das Digitale, genauer gesagt in unterschiedliche Perspektiven auf das Digitale. Meine Perspektive auf das Thema Digitalisierung basiert im Wesentlichen auf einer Erfahrung, die ich schon sehr oft gemacht habe und die eigentlich mit dem Digitalen an sich wenig zu tun hat.
In meiner Arbeit halte ich sehr viele Vorträge und es ist immer wieder so, dass Menschen nach einem dieser Vorträge zu mir kommen und mit mir über diesen Vortrag diskutieren möchten. Und ein Gedanke wird dabei sehr oft geäußert. Man sagt immer, Herr Deeg, dieses Digitale ist ja schön, es ist bunt, es ist spannend, man kann so viel damit machen, aber es ist doch niemals so toll wie das Analoge, das Physische, das Echte.
Das eine ist doch irgendwie gar nicht real und wir leben doch im analogen, physischen, realen Raum. Müssen wir nicht Wege finden, uns auf das Analoge, auf das Physische zu konzentrieren? Ich kann diesen Gedankengang nachvollziehen. Ich kann auch die Befürchtung dahinter verstehen.
Und trotzdem habe ich mich immer gefragt, woher dieser Konflikt kommt, denn er hatte so überhaupt nichts zu tun mit meiner Lebensrealität und mit den Lebensrealitäten der Menschen, die ich so kannte. Und auf einer Forschungsreise nach Südkorea, wo ich noch mal ein ganz neues Verständnis des Digitalen bekommen habe, wurde mir dann irgendwann klar, was meine Perspektive auf diese Fragestellung ist und was dann auch letztlich gesehen die Perspektive wurde, die ich heute habe, wenn es um die Frage geht, was bedeutet eigentlich Digitalisierung? Und das ist die Idee oder das Konzept der digital-analogen Lebensrealitäten. Dieses Konzept besagt, alle Menschen entscheiden individuell und situativ über den Anteil des Digitalen und des Analogen in ihrem Leben.
Und sie entscheiden ebenso über die damit verbundenen Funktionen und natürlich die Ziele, die sie damit verbinden. Das Besondere an diesem Ansatz ist, dass er versucht, das Digitale und das Analoge zusammenzuführen. Es geht nicht mehr um die Frage, ob ich entweder im Analogen oder im Digitalen unterwegs bin.
Viel mehr geht es darum, dieses Wechselspiel zwischen dem Digitalen und den Analogen hervorzuheben. Nehmen wir als Beispiel meine digital-analoge Lebensrealität. Ein großes Thema in meinem Leben ist Musik.
Ich liebe Musik. Ich habe sogar Musik studiert. Diejenigen, die die erste Podcast-Folge gehört haben, werden sich daran erinnern.
Und ich nutze den Digitalen und den analogen Raum, um meine Liebe zur Musik auszuleben. Mein ganzer Stolz ist natürlich meine analoge Schallplattensammlung. Und darüber hinaus habe ich auch noch sehr viele CDs.
Ich habe eine analoge Hi-Fi-Anlage, die mir unglaublich großen Spaß macht. Gleichzeitig habe ich sehr viele MP3s und ich streame auch sehr viel. Für mich geht es darum, Zugang zur Musik zu haben.
Auch wenn mir die Schallplatte am meisten gefällt, weil sie etwas ganz Besonderes ist, ich ein Ritual darum erzeugen kann, bin ich auch gerne bereit, Musik zu streamen. Gerade dann, wenn es darum geht, neue Musik kennenzulernen. Aber damit nicht genug.
Ich katalogisiere meine Schallplattensammlung, meine CD-Sammlung auch. Und das mache ich auf einer Plattform namens Discogs. Nein, das ist keine Werbung.
Ich bekomme kein Geld von dieser Plattform. Es ist wirklich so, ich nutze diese Plattform Discogs. Und ich nutze sie, weil sie eigentlich ein geniales Konzept hat.
Zum einen geht es wirklich darum, einen Account zu haben und seine eigene Musiksammlung zu katalogisieren. Das ist verhältnismäßig einfach, denn es sind extrem viele Daten zu Schallplatten, CDs und so weiter schon vorhanden. Ich muss nur den passenden Datensatz finden.
Das kann ich noch einfacher haben, wenn ich die App dieser Plattform nutze und meine Schallplatte oder meine CD über einen EAN-Code verfügt. Dann kann ich diesen ERN-Code nämlich scannen und dann sucht das System automatisch nach dem passenden Datensatz. Gegebenenfalls muss ich dann noch ein, zwei Parameter auswählen und schon habe ich diese eine Aufnahme meiner Sammlung hinzugefügt.
Und wenn ich kein ERN-Code habe, weil es vielleicht eine ältere Aufnahme ist, dann kann ich nach Namen, nach Titel, nach ganz anderen Inhalten suchen. Auch dann habe ich die Möglichkeit, am Ende die richtige Aufnahme zu finden und sie meiner Sammlung virtuell hinzuzufügen. Das Raffinierte daran ist dass die Plattform nicht nur einfach Katalogisierung bietet, das sogar für umsonst, sondern dass man darüber hinaus auch sehr viele Informationen zu Künstlern, zu Werken und so weiter bekommen kann und sehr viele interessante Menschen ihre Erfahrungen mit Musik teilen.
Und man mag es schon erahnt haben, es gibt natürlich auch einen Marktplatz, denn das ist eine riesengroße globale Community von Menschen, die Schallplatten und CDs sammeln und diese natürlich auch verkaufen. Es sind auch viele professionelle Verkäufer und Händler mit an Bord und dann kann ich überall auf der Welt diese Musik kaufen. Also ein geniales Konzept und trotzdem höre ich dann die Schallplatten im analogen Raum.
Und würde man mir jetzt sagen, du darfst keine Schallplatten mehr hören, dann wäre ich ziemlich sauer. Und würde man mir sagen, du darfst jetzt aber nicht mehr auf dieser digitalen Plattform aktiv sein, dann wäre ich ebenso sauer. Für mich gehört beides mit dazu.
Meine digital analoge Musik-Lebensrealität basiert auf der Nutzung des digitalen und des analogen Raumes. Und darüber hinaus ist das auch sehr situativ. Es gab Zeiten, da hatte ich nur noch zehn Schallplatten und keine CDs mehr.
Das ist gar nicht so lange her, da wollte ich nur MP3s haben, da wollte ich nur streamen. Aber aus verschiedensten Gründen kam dann plötzlich doch wieder die Schallplatte und später sogar, das ist eine ganz andere Geschichte, auch die CD wieder hinzu. Und so habe ich am Ende eine riesige Sammlung mit unterschiedlichen Medien und Inhalten und freue mich täglich darüber.
Und ich habe vorhin schon gesagt, dass ich die Schallplatte auch mag, weil ich sie ritualisieren kann. Das ist etwas, was auch sehr faszinierend ist, nämlich wir haben in den letzten Jahren so oft Diskussionen darüber gehabt, ob die Schallplatte ganz verschwinden wird, die CD verschwinden wird oder auch im Buchbereich gab es Diskussionen darüber, ob mit dem Aufkommen des E-Books das gedruckte Buch verschwinden würde. Das Phänomen dabei ist, es ist überhaupt nicht so.
Schallplatten werden immer mehr verkauft, CDs werden immer mehr verkauft, Bücher werden immer mehr verkauft und trotzdem gibt es auch immer mehr digitale Verkäufe. Woran liegt das? Aus meiner Sicht ist das verhältnismäßig einfach, weil ich individuell entscheiden kann, kann ich es auch ritualisieren. Es bekommt eine besondere Bedeutung und so ist es für mich auch.
Da ist mein Schallplattenspieler, da hole ich die Schallplatte raus, dann werde ich sie reinigen oder sie ist schon gereinigt, dann lege ich sie auf den Schallplattenspieler, ich lege das Gewicht in die Mitte drauf, ich reinige die Schallplatte nochmal, ich starte den Schallplattenspieler und ich höre die Musik. Das ist ein Ritual. Und das ist etwas, was ich gerade im Bereich der E-Books immer wieder gesehen habe.
Oder es gibt ein anderes Beispiel, das vielleicht noch viel besser passt dazu. Die Kerze. Wir alle kennen Kerzen, wir alle lieben Kerzen, also die meisten Menschen lieben Kerzen.
Gerade jetzt, ich nehme diese Podcast-Folge im Herbst 2024 auf, da sitzt man gerne zu Hause und macht sich abends Kerzen an. Und das ist etwas Großartiges. Kerzen haben eine tolle Bedeutung.
Manche machen das, wenn sie irgendwie einen schönen Abend verleben wollen oder zur Musik hören. Ich höre abends total gerne Musik und habe Kerzen dazu an. Diese alte Funktion aber, die Kerzen ursprünglicherweise mal innehatten, nämlich Licht in Räume zu bringen, als einzige Möglichkeit, dieses Licht in Räume zu bringen, das haben Kerzen nicht mehr.
Und die damit verbundene Industrie übrigens ist auch verschwunden. Zumindest ist sie nicht mehr so da, wie sie früher einmal da war. Also diese Ursprungsfunktion der Kerzen, also diese Ursprungsfunktion, die ist nicht mehr vorhanden.
Und trotzdem sind die Kerzen immer noch da, weil wir ihr jetzt eine besondere Bedeutung geben können, weil wir sie kontextualisieren können. Und diese besondere Bedeutung macht für uns Kerzen dann wertvoll. Oder die Tatsache, dass ich hier gerne Schallplatten höre, ein Ritual daraus machen kann, macht für mich die Schallplatte besonders wertvoll.
Obwohl sie vielleicht sogar im Vergleich zu einer digitalen Version eher Nachteile bringt, weil sie kaputt gehen kann, weil ich sie viel stärker pflegen muss und so weiter. Und weil ich sie auch nicht mitnehmen kann, wenn ich in den Urlaub fahre. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die tausende von Schallplatten mit in den Urlaub nehmen.
Das wäre ein bisschen sinnlos. Wobei ich ja auch Hotels kennengelernt habe, da sind die Schallplatten-Sammlungen schon vorhanden. Es gibt ein ganz tolles Hotel in Tiflis in Georgien und da steht in jedem Raum eine Hi-Fi-Anlage.
Und wenn man reinkommt, ist da eine riesengroße Schallplatten-Bibliothek und man kann sich den ganzen Tag und die ganze Nacht an diesen Schallplatten bedienen und sie oben in seinem Zimmer hören. Eine spannende Sache. Das habe ich jetzt leider nicht täglich und das habe ich auch nicht in all meinen Hotels, die ich so im Laufe der Zeit immer besuche.
Also das ist aber die Grundidee. Also wir haben digital-analoge Lebensrealitäten und die Menschen entscheiden individuell und situativ über den Anteil des analogen und des digitalen. Aber was bedeutet das denn dann? Was passiert denn dann, wenn ganz viele Menschen individuell und situativ über diesen Anteil des digitalen und des analogen in ihrem Leben entscheiden? Dann entsteht doch eigentlich ein riesengroßer Optionsraum.
Also es gibt ganz nahezu unendlich viele Varianten, das digitale und das analoge miteinander zu kombinieren. Und dieser riesige Optionsraum, der entwickelt sich stetig weiter, weil immer neue Muster entstehen. Die Menschen machen das ja nicht individuell im Sinne von alleine, sondern die vernetzen sich ja mit anderen Menschen und in der Interaktion mit anderen Menschen entstehen wiederum neue Muster.
Also ein noch größerer Optionsraum. Und so kann man sagen, der digital-analoge Lebensraum ist eigentlich ein digital-analoger Optionsraum. Und dieser Optionsraum existiert, weil die Menschen immer wieder neue Kombinationen aus dem digitalen und den analogen haben.
Und sie tun das nicht im Konflikt zwischen digital und analog, sondern sie tun es, weil es für sie so am besten passt. Und das beinhaltet übrigens auch, dass Menschen entscheiden, überhaupt nichts mit dem Digitalen zu tun haben zu wollen oder aber nichts mehr Analoges machen zu wollen. In dieser Extremvariante klingt das ein bisschen apokalyptisch, das weiß ich.
Was ich damit meine ist, ich zum Beispiel bin jemand, der eigentlich kein Bargeld mag. Ich habe nie Bargeld bei mir. Ich habe Kreditkarten und vor allem meine Smartphones und ich bezahle darüber.
Und ich komme immer in große Schwierigkeiten in Deutschland, wenn ich dann feststelle, ich kann da nicht bezahlen, weil dieser Ort, dieses Geschäft, dieses Restaurant nur Bargeld nimmt. Es gibt aber auch Menschen, die sagen, ich möchte mit dem Digitalen nichts zu tun haben. Ich möchte alles, was in meinem Leben passiert, analog machen.
Auch das ist richtig und das ist auch genauso bedeutsam. Und das ist ein wichtiger weiterer Punkt, der sich aus dieser Idee der digital-analogen Lebensrealitäten ergibt. Nämlich, dass es nicht darum geht, besonders viel digital zu sein.
Man ist kein besserer Mensch, wenn man besonders digital aktiv ist, sondern man ist einfach nur ein Mensch. Und das ist genauso relevant und wichtig, wie wenn man nur im Analogen aktiv ist. Das ist das ganz, ganz Entscheidende dabei.
Und wenn man das dann so betrachtet, dann können die digital-analogen Lebensrealitäten etwas sein, was eine Basis ist oder eine Idee ist für die Gestaltung des digital-analogen Lebensraums. Indem es nämlich darum geht, mit diesen unterschiedlichen Lebensrealitäten umzugehen und auch darauf reagieren zu können. Und das ist eben auch der Grund, warum wir dann beispielsweise in Organisationen darüber nachdenken müssen, bestimmte Prozesse und Strukturen zu hinterfragen, weil sie ansonsten nämlich nicht in der Lage sind, auf diesen sich stetig veränderten Optionsraum vernünftig zu reagieren.
Und das ist nebenbei auch der Grund, warum ich glaube, dass viele von diesen klassischen Digitalstrategien überhaupt nicht funktionieren können, weil sie auf diese Dynamiken nicht reagieren können. Das ist die erste Perspektive auf das Thema Digitalisierung gewesen. Und wir gehen gleich weiter zu einer Zweiten, die stammt von dem deutschen Soziologen Armin Nassehi.
Welches Problem soll Digitalisierung lösen? Dies ist eine der Kernfragen des Buches Mustertheorie der digitalen Gesellschaft von Armin Nassehi. Armin Nassehi ist ein deutscher Soziologe und er betrachtet das Thema Digitalisierung aus seiner soziologischen Perspektive. Und aus dieser Perspektive ist das Problem, welches Digitalisierung lösen soll, aus seiner Sicht Komplexität.
Dabei geht es nicht darum, durch Digitalisierung Komplexität zu reduzieren oder gar komplexe Prozesse abzuschaffen. Es geht vielmehr darum, durch Digitalisierung besser mit Komplexität umgehen zu können. Und das, sagt er, ist etwas, was wir auch schon ohne das Digitale getan haben.
Also die Idee, dass wir mit komplexen Systemen umgehen, haben wir schon gehabt, bevor es den Computer gab. Und deshalb trennt Armin Nassehi in seinem Buch zwischen Digitalität und Digitalisierung. Digitalität bedeutet den Umgang mit komplexen Systemen, mit komplexen Optionsräumen.
Und das ist etwas, laut Nassehi, was wir schon seit mehreren hundert Jahren tun. Seit mehreren hundert Jahren sammeln wir beispielsweise Daten, um bestimmte Prozesse zu planen. Sei es in der Stadtentwicklung oder sei es in der Landwirtschaft.
Überall versuchen wir, Daten zu sammeln, Daten zu bewerten und auf Basis von diesen Daten dann Entscheidungen zu treffen. Und das machen wir in immer mehr Bereichen unseres Lebens. Und auf diese Art und Weise und mit verschiedenen Hilfsmitteln versuchen wir beispielsweise auch, den Optionsraum Vernetzung mit Menschen zu füllen.
Also wir versuchen kontinuierlich, uns mit immer mehr Menschen zu vernetzen. Und irgendwann waren wir an einem Punkt angekommen, wo alle diese unterschiedlichen Werkzeuge, die wir entwickelt hatten, um mit dieser Komplexität immer besser umgehen zu können, irgendwann reichten diese Werkzeuge einfach nicht mehr aus. Und an diesem Punkt kam der Computer ins Spiel.
Er war ein Werkzeug, welches uns ermöglichte, noch besser mit der Komplexität der Optionsräume umzugehen. Und das bedeutet auch, dass da eigentlich gar nicht viele neue Prozesse entstanden sind, neue Handlungen entstanden sind, sondern im ersten Schritt wurde einfach nur das verbessert, verstärkt, was wir schon über 100 Jahre davor gemacht haben. Und ich erinnere mich in diesem Kontext an eine Diskussion, die ich in Seoul hatte.
Vor ein paar Jahren war ich dort auf einer Tagung und ich saß zusammen mit einer Soziologin aus Frankreich auf der Bühne und wir wurden beide gefragt, was machen die Menschen eigentlich im Digitalen? Und natürlich war da eine Erwartungshaltung, dass da jetzt ganz spezielle Muster oder ganz spezielle Denk- und Handlungsweisen definiert wurden, wie wir sie ja auch in anderen Kontexten immer wieder kommunizieren, immer wieder diskutieren. Und diese Soziologin hatte eine geniale Antwort. Sie sagte, die Menschen machen im Digitalen das, was sie auch im Analogen schon immer getan haben.
Sie lieben, sie hassen, sie schreien, sie lachen, sie lernen, sie kaufen, sie verkaufen. Alles Dinge, die wir immer schon getan haben. Und im Digitalen können wir das noch besser, noch stärker.
Und deshalb ist es für uns eine Hilfestellung und deshalb nutzen wir es. Wir nutzen es also nicht wegen irgendwelchen neuen Technologien, sondern wir nutzen es, weil es uns mehr neue Optionsräume öffnet. Das ist aber nicht alles.
Durch die Nutzung der digitalen Werkzeuge wird natürlich auch der Optionsraum erweitert. Er wird also noch komplexer. Also können wir noch mehr Dinge tun.
Wir haben aber auch Bedarfe nach immer neuen Funktionen und neuen Technologien. Und auf diese Art und Weise entsteht eine Wechselwirkung von Optionsräumen, die durch das Digitale genutzt werden können, besser genutzt werden können. Auf der anderen Seite durch daraus resultierende noch größere Optionsräume.
Es entstehen immer wieder neue Möglichkeiten. Und das bedeutet einfach, wir als Menschen sind die Gestalter dieses digital-analogen Lebensraums. Und wir haben dort nichts zu tun.
Neues geschaffen im Sinne eines, dass der Mensch sich radikal verändert hätte, sondern die Grundfunktionen, die Grundmuster, das, was wir schon die ganze Zeit, seit Jahrhunderten tun, das tun wir auch im Digitalen. Aber diese Funktionen, die das, was das Digitale ist, ermöglicht uns immer neue Varianten davon zu erzeugen und das tun wir alles vernetzt miteinander. Und so entstehen quasi unendliche Optionsräume, die wiederum unendlich viele unterschiedliche Muster erzeugen.
Da kommen wir wieder zur Idee der digital analogen Lebensrealitäten. Denn das, was ich mit meiner Schallplattensammlung mache, kann man ja auch aus dieser Perspektive von Armin Nassehi betrachten. Und das möchte ich jetzt gerne auch tun.
Grundsätzlich gesehen kann man Schallplatten auch sammeln ohne Computer oder ohne das Internet. Man sammelt einfach die Schallplatten und man findet andere Wege herauszufinden, was auf den Schallplatten drauf ist. Man kann sie katalogisieren, indem man beispielsweise Karteikarten nimmt.
Das haben Menschen ganz, ganz lange, viele Dekaden lang gemacht. Da wurde so was auf Karteikarten, man nannte sie im Archivwesen auch Findmittel. Da wurde das draufgeschrieben, was es ist und dann konnte man es finden.
Auf diese Art und Weise sind Bibliothekskataloge früher umgesetzt worden. Also kann ich auch ohne das Digitale meine Schallplattensammlung katalogisieren. Das Problem ist nur, ich müsste irgendwie an die Daten rankommen.
Das heißt, ich brauche Bücher oder Ähnliches, viele unterschiedliche Medien und bei denen weiß ich ja gar nicht, was drinsteht. Und dann bin ich mir immer noch nicht sicher. Gegebenenfalls möchte ich mich ja auch mit anderen Menschen vernetzen.
Das könnte ich ja auch machen. Dann kann ich in einen Jazzclub gehen oder ich gehe in einen Plattenladen. Diese Plattenläden früher waren ja nicht nur Orte, wo man irgendwie Schallplatten gekauft hat, sondern es waren auch Treffpunkte.
Es waren soziale Treffpunkte, wo diese Schallplatten-Communities quasi rumhingen, wo man sich austauschen konnte, wo man auch mal den einen oder anderen Tipp bekam. Aber was ist denn, wenn ich mich noch viel mehr Menschen vernetzen möchte? Das könnte ich dann tun, indem ich mir ihre Telefonnummer aufschreibe oder ihre Adresse und dann schreibe ich ihnen einen Brief. Früher gab es beispielsweise auch so Anbieter, so Händler, die haben noch Kataloge rausgestellt.
Da war ein riesengroßer Katalog, der war super dick. Ich weiß gar nicht mehr, wie diese Firma hieß. Und da waren tausende, gefühlt tausende von CDs und Schallplatten drin.
Die waren da aufgelistet nach alphabetischer Ordnung oder sowas. Und dann konnte man sich diese Artikelnummern raussuchen und konnte die dann bestellen. Das war also alles diese Grundidee, Musik zu kaufen, Musik zu hören.
Auch welche HiFi-Anlage. Ich ging halt zum HiFi-Händler und der hatte halt so ein paar Geräte da stehen. Und dann konnte man die kaufen und dann konnte man zu Hause Musik hören.
Also grundsätzlich gesehen war das alles auch ohne den Computer möglich. Der Computer, das Digitale, hat mir aber die Möglichkeit gegeben, das noch viel größer zu machen. Die beschriebene Plattform von mir, dieses Discogs, ermöglicht mir jetzt mit viel mehr Menschen in Kontakt zu treten.
Und das zum gleichen Zeitpunkt. Ich bin da auch in einer Community drin, wo wir in Echtzeit miteinander interagieren können. Ich schreibe da keinen Brief irgendwo hin und dann kommt irgendwann ein Brief zurück oder ähnliches.
Nein, das kann alles, wenn diese Menschen dann auch online sind in diesem Moment, interaktiv geschehen zum Beispiel. Ich muss auch nicht mehr riesengroße Listen und Bücher sorgen und mich mit irgendwelchen anderen Informationen versorgen, um meine Schallplatten katalogisieren zu können. Das kann ich alles dort machen, weil die Daten dort schon zentral gesammelt wurden.
Ich kann dort auch Schallplatten kaufen. Ich bin nicht beschränkt auf den Händler in meiner Stadt. Ich kann mich oder jetzt gegebenenfalls, ich hätte ja früher auch den Zug steigen können, mache ich heute noch.
Es gibt einen ganz tollen Plattenhändler für mich in Stuttgart. Da fahre ich dann ein, zwei Mal im Jahr hin und kaufe mich da mal so ein bisschen wieder glücklich sozusagen. Das kann ich da auch mal.
Aber da habe ich Zugriff. Ich kann Schallplatten in Japan kaufen. Ich kann Schallplatten in den USA kaufen.
Ich kann überall Schallplatten kaufen. Das heißt, diese Grundfunktion oder Kernfunktion, die ist geblieben. Daran hat sich nichts geändert.
Aber die Art und Weise, wie ich das mache, die ist jetzt für mich viel, viel spannender geworden. Und jetzt kommen wir wieder zu der Idee der digital analogen Lebensrealitäten. Für mich war es so, dass ich entschieden habe, ich möchte da einen hohen Anteil des Digitalen haben, weil ich damit für mich einen Mehrwert habe.
Das mag für andere Menschen wiederum anders sein, die vielleicht sagen, ich will nicht auf so einer Plattform unterwegs sein. Ich will einfach nur zu meinem Plattenhändler gehen. Auch das gibt es.
Und möchte dann dort einfach einen Tipp bekommen. Jetzt ist es in Nürnberg ein bisschen schwierig, weil es gibt hier nach meiner Ansicht keine guten Plattenhändler mehr. Das heißt, da müsste ich dann schon wahrscheinlich nach München fahren oder nach Stuttgart.
Wie gesagt, alles Dinge, wo man sagen muss, ja, ginge. Aber das Digitale, das Digitale ermöglicht mir einfach ein Mehr an Umgang, an Musik hören und übrigens auch an Musik kennenlernen. Das ist das Nächste.
Also diese Algorithmen beispielsweise von Amazon Music und so weiter, die sind fürchterlich. Die sind ganz, ganz schlecht. Für jemanden, der Ahnung von Musik hat, ist das etwas, was einen eigentlich nicht weiterbringt.
Aber ich nutze diese Plattformen total gerne, um mich inspirieren zu lassen. Nicht über die Algorithmen, sondern ich finde da irgendwas. Früher hätte ich es auch machen können.
Früher hätte ich mir irgendwie eine Jazz Zeitschrift besorgt. Aber da gab es das Jazz Podium, glaube ich, habe ich eine Zeit lang gelesen. Und dann war so eine Liste dran.
Da wurden so neue Alben besprochen. Dann konnte man dann zum Plattenhändler gehen und konnte da reinhören. Und heutzutage findest du irgendwo auf einem Blog oder irgendwas eine Empfehlung für ein Jazz Album.
Und dann gehst du hin und bist bei Amazon erst mal und guckst, ob es da schon mal da ist. Dann kannst du dort schon mal reinhören. Und bei mir ist immer so, wenn ich die dann gehört habe und gut finde, dann landen die automatisch bei mir auf meiner Wishlist bei Discogs.
Und sobald dann irgendjemand das gerade verkaufen will, dann kriege ich sofort eine Nachricht und dann kann ich das kaufen. Das heißt also, es ist jetzt ein sehr individuelles Beispiel und jeder Mensch wird sehr unterschiedliche Beispiele finden. Übrigens, ich habe auch noch einen Instagram Account, mit dem ich mich dann in diesem Bereich bewege und Leuten folge, die Schallplatten und Hi-Fi Anlagen haben.
Und wiederum, die folgen mir und so weiter. Also es ist eine riesengroße digital analoge Lebensrealität, die quasi dem Genuss der Schallplatte gewidmet ist. Und das ist so ein wunderbares Beispiel dafür.
Und das beschreibt eigentlich genau das, was Armin Nassehi dort beschreibt in dieser Grundfunktion, nämlich zu sagen, es gibt ein Problem. Das wäre diese Komplexität, nämlich ich könnte diese ganzen Menschen, mit denen ich da jetzt in Verbindung stehe und die ganzen Daten ohne Computer so gar nicht verarbeiten. Das kann ich jetzt aber machen.
Und damit habe ich für mich persönlich einen Mehrwert. Und deshalb entscheide ich in meiner digital analogen Lebensrealität, dass ich da einen hohen digitalen Anteil haben will. Gleichzeitig will ich aber die analoge Schallplatte hören und will darauf auch nicht verzichten.
Das war so die zweite Perspektive und jetzt kommen wir schon zur dritten. Und da geht es um diese Kultur der Digitalität. Diejenigen von Ihnen, diejenigen von euch, die dieser Podcast-Folge bis hierhin aufmerksam zugehört haben, werden festgestellt haben, ich spreche auch in dieser Folge wenig über digitale Technologien.
Und das hat einen guten Grund. Digitale Technologien an sich bringen keine Mehrwerte. Erst durch ihre Nutzung, ihre Anwendung können Mehrwerte entstehen.
Ich hatte die schon in der ersten Podcast-Folge beschrieben. Es geht um das, was wir Menschen damit machen und um die Frage, ob die jeweiligen digitalen Technologien in der Lage sind, unseren Optionsraum zu erweitern und ob die Nutzung dieser digitalen Technologien darüber hinaus auch eine Erweiterung dieses Optionsraums ermöglicht. Es geht also weniger um Digitalisierung als technologischer Prozess und vielmehr um Digitalität, um das, was wir mit digitalen Plattformen, mit digitalen Technologien tun können und gegebenenfalls auch tun werden.
Und durch dieses Tun, durch diese Handlungen entsteht eine Kultur der Digitalität. Und Felix Stalder hat genau über dieses Thema, über die Kultur der Digitalität, ein, wie ich finde, sehr wichtiges und spannendes Buch geschrieben. Felix Stalder versucht herauszufinden, was diese Kultur der Digitalität ausmacht.
Und er definiert im Wesentlichen drei Funktionen, die für ihn die zentralen Funktionen der Kultur der Digitalität sind. Da ist zum einen die Referentialität. Digitale Technologien beziehungsweise digitale Plattformen ermöglichen es uns, Inhalte zu erweitern, zu verändern und damit neue Kontexte, unsere eigenen Kontexte zu erstellen.
Das kann geschehen, indem ich das Original so belasse, wie es ist und einfach nur eine neue Version davon erstelle, die sich aber auf dieses Original bezieht oder aber ich verändere dieses Original selbst. Auch das kennen wir schon aus anderen Bereichen, beispielsweise in der Musik. Dort gibt es nämlich die Remix-Kultur, wo Künstler die Musik von anderen Künstlern nehmen, sie verfremden, sie erweitern und damit auch wiederum neue Inhalte erstellen.
Und das geht natürlich jetzt im Digitalen noch viel besser, weil die Werkzeuge, die wir dafür haben, das noch viel besser können. Ein schönes Beispiel übrigens für diese Remix-Kultur ist für mich das Album „New Old Songs“ von Limp Bizkit. Das ist eine amerikanische Metalband und die haben viele unterschiedliche internationale Produzenten und DJs gebeten, ihre Songs noch mal komplett neu zu mixen und neue Ideen daraus zu entwickeln.
Und es ist ein sehr spannendes Album geworden, welches sich wirklich lohnt, wenn man natürlich Metal-Fan ist. Man sieht also, ich höre nicht nur Jazz-Musik und es ist sehr spannend, weil wirklich die Ursprungsidee der Songs natürlich beibehalten wurde. Das ist nach wie vor da.
Aber auf der anderen Seite sind wirklich komplett neue Werke entstanden und es macht großen Spaß, diese Musik zu hören, gerade auch, wenn man dann auf der anderen Seite die Originale hört und dann sieht, wie versucht wurde, diese einzelnen Elemente in den originalen Songs immer wieder weiterzuentwickeln. Gibt ja noch ein anderes Beispiel, wenn wir in die Musik hineingehen, dass immer wieder Songs auch noch mal neu aufgenommen werden, dann auch verändert werden. Das können manchmal kleine Veränderungen sein.
Manchmal ist es was ganz Großes. Also diese ganzen Ideen. Ich kann immer wieder neue Kontexte erstellen.
Das ist in der Musik eigentlich ein Standard. Das haben wir auch schon in der Klassik in Teilbereichen da. Aber durch das Digitale machen wir das jetzt viel stärker, viel öfter.
Und es wird uns einfach auch einfacher gemacht. Und das erzeugt dann natürlich ein neues Muster, weil es irgendwie dann ganz normal wird. Irgendwann sind wir in der Situation, das haben wir teilweise auch schon.
Da gibt es ein ganz berühmtes Bild. Ich habe leider den Namen vergessen von Caspar David Friedrich, wo ein Mann sich auf einem Stock abstützend auf ein Tal runterguckt. Und dieses Bild, diese Idee ist ja nur noch ein Konstrukt quasi, eine Funktion, wird immer wieder genutzt für ganz unterschiedliche Kontexte bis zu dem Moment, wo Darth Vader oder so da steht und da runterguckt.
Aber es gibt dieses Bild immer wieder. Und dieser Wiedererkennungswert, der ist halt da. Also man nimmt etwas und es ist beabsichtigt, dass man diese Verbindung wahrnimmt.
Es geht also nicht darum, etwas so weit zu verfremden, dass man das überhaupt nicht mehr mitbekommt. Nein, nein, es geht darum, immer wieder durch Veränderungen, durch Erweiterungen Kontexte, Verbindungen herzustellen, Verbindungen zu diesen Werken auf der einen Seite und zu diesen Personen auf der anderen Seite, die diese Werke verändert haben. Die zweite Funktion, von der Felix Stalder redet, ist die Gemeinschaftlichkeit.
Und damit ist gemeint, dass Menschen diese Dinge nun gemeinsam tun können. Sie können sich vernetzen. Sie können gemeinsam Inhalte erschließen.
Sie können sie mit anderen teilen. Sie können sie diskutieren. Sie können komplett neue Ideen entwickeln.
Es entstehen ganz neue soziale Räume. Das ist nicht bewertend gemeint. Der Begriff des Sozialen bedeutet nicht, dass das automatisch immer gut ist, was dabei rauskommt.
Aber wenn man jetzt überlegt, auf der einen Seite können wir also immer neue Kontexte erstellen, indem wir vorhandenes Material weiterentwickeln, verarbeiten etc. Und dann haben wir auf der anderen Seite die Situation, dass wir über Gemeinschaftlichkeit das in einer Community tun können und dort auch noch mal durch die Interaktion mit anderen Menschen etwas auf eine ganz andere Selbstwahrnehmung haben können. Und dann gibt es im dritten Bereich die sogenannte Algorithmizität.
Und die Algorithmizität meint nichts anderes, als dass wir digitale Technologien nutzen, um unsere Welt quasi, unsere Umwelt zu strukturieren. Also wenn wir jetzt in das Digitale reingehen und wenn wir uns mit ganz vielen Menschen vernetzen können, da ganz, ganz viele Inhalte finden, dann ist natürlich die große Frage, wie können wir das Ganze für uns strukturieren? Und es geht irgendwann nicht mehr, weil es einfach zu viele Daten, zu viele Menschen sind. Und dann gibt es eben die Möglichkeit, über Algorithmen, jetzt über Künstliche Intelligenz und viele andere Ansätze, das zu strukturieren.
Da hilft uns, das Digitale eine Struktur zu haben und es damit für uns überhaupt noch wahrnehmbar zu machen, also Zugang dazu zu finden. Das ist etwas, was sehr spannend ist, weil diese Algorithmizität aus meiner Sicht ja sehr unterschiedliche Formen annehmen kann. Also wir können das ganz klassisch strukturieren.
Das können wir machen. Wir können aber auch Modelle entwerfen, die Formalisierung und Strukturierung mit sozialer Interaktion, also mit Gemeinschaftlichkeit kombinieren. Also man könnte ein Modell entwerfen, das auf derselben Plattform beschreibt, wie Algorithmizität und Gemeinschaftlichkeit miteinander wirken können.
Und dafür möchte ich gerne eine kleine Geschichte erzählen. Die meisten von Ihnen, die meisten von euch werden nicht wissen, wer Dorothea Viehmann war. Und damit werden die meisten von Ihnen und die meisten von euch auch nicht wissen, dass Dorothea Viehmann in unserem Leben, in den meisten Leben, in unserem Sprachraum eine Rolle gespielt hat.
Dorothea Viehmann lebte vor langer Zeit in der Nähe von Kassel. Sie lebte in einem Gasthaus, welches an einer Handelsroute, an einem Handelsweg stand. Und da kamen also ganz viele Händler vorbei.
Und diese Händler erzählten ganz viele unterschiedliche Geschichten, also Sagen und Märchen und so weiter. Ganz viele Sachen wurden von diesen Leuten erzählt untereinander. Und diese Frau, Dorothea Viehmann, die hörte immer zu und sammelte das Ganze.
Es entstand irgendwann so eine riesengroße Sammlung an Geschichten, an total spannenden, schönen Geschichten. Und dann gab es irgendwann zwei junge Männer, die hatten ein Start-up, könnte man sagen, gegründet. Die hatten nämlich herausgefunden, dass man ja ein tolles Geschäftsmodell sein könnte, wenn man dieses Medium Buch und diese ganzen tollen Geschichten miteinander kombinieren würde.
Das waren die Brüder Grimm. Die Brüder Grimm waren ja Geschichtensammler. Und diese Dorothea Viehmann hat Ihnen ganz, ganz viele von diesen Geschichten mitgegeben.
Die sind alle in diese Märchen nach den Brüdern Grimm sozusagen mit hineingeflossen. Und Dorothea Viehmann steht ja nicht für die Formalisierung und Strukturierung von Inhalten, so wie es das Buch an sich ist. Das Buch ist ja ein Medium, mit dem wir Inhalte formalisieren und strukturieren können.
Das ist die große Stärke des Buches. Also man hat irgendwann so eine Variante, die wird dann mehrfach kopiert. Die wird mehrfach gedruckt.
Und alle Menschen, die dieses Buch dann lesen, lesen dieselbe Variante. Und da ist eine Struktur hinter. Das heißt, man formalisiert den gesamten Ablauf und man strukturiert das Ganze.
So und dann kommt aber sowas wie Dorothea Viehmann ins Spiel. Und dieser Ort, wo sie war, der steht eigentlich für diese orale Tradition der Weitergabe von Informationen. Das ist übrigens die Art und Weise, wie wir Menschen immer noch die längste Zeit der Menschheitsgeschichte Informationen weitergegeben haben.
Nicht über Bücher, sondern über Reden, über Austausch miteinander. Und bei dem Reden, da wird der Ort, wo das passiert, extrem wichtig. Das sind diese berühmten sozialen Orte, wo die Menschen zusammenkommen und wo sie sich wohlfühlen, wo man sich gegenseitig Geschichten erzählt.
Und wahrscheinlich werden sich diese Geschichten auch jedes Mal, wenn sie erzählt werden, ein bisschen anders anhören. Da wird etwas hinzugedichtet, etwas weggenommen. Das kennen wir.
Als Kinder haben wir ja auch alle mal stille Post gespielt. Das sind alles so Elemente, die da mit reinspielen. Aber das Entscheidende ist dabei, die die zentrale Funktion ist das Soziale, die Interaktion mit Menschen und nicht die Formalisierung und die Strukturierung.
So und jetzt gucken wir uns Facebook an. Was macht denn Facebook eigentlich? Facebook gibt uns die Möglichkeit, auf der einen Seite zu formalisieren und zu strukturieren. Ja, da gibt es auch Algorithmen.
Also die Algorithmizität ist stark bei Facebook oder bei all diesen ganzen sozialen Medien. Das ist nämlich nichts anderes als der Versuch, dass wir auf der einen Seite durch diese sozialen Medien total viele Kontakte und Inhalte erst mal wahrnehmen können. Wir können uns mit diesen Menschen, mit diesen Inhalten verbinden.
Auf der anderen Seite besteht ja das Risiko des Information Overkill, also dass wir einfach zugeworfen werden mit Inhalten. Dann soll der Algorithmus uns helfen, indem er herausfiltert, was für uns relevant ist und was nicht. Das ist das eine.
Auf der anderen Seite sind es aber Plattformen, wo soziale Interaktionen stattfinden, also wo Mensch zu Mensch Interaktionen stattfinden, mit allen Vor- und Nachteilen. Und die Relevanz da drin, die Relevanz auf diesen Plattformen, entsteht nicht durch die Formalisierungs- und Strukturierungsprozesse. Die ermöglichen nur eine grundsätzliche Nutzung des Ganzen, ohne dass wir da völlig untergehen in Inhalten, sondern es ist die soziale Interaktion.
Das sind soziale Orte. Das sind soziale Orte, die diese Interaktion ermöglichen und die dann daraus resultierend auch Relevanz erzeugen für bestimmte Inhalte. Und diese soziale Interaktion bestimmt dann sehr oft, welcher Inhalt innerhalb der Community als relevant angesehen wird und welcher nicht.
Und das ist eigentlich ein sehr spannender Punkt. So kann man sehen, auch wie man Algorithmizität und Gemeinschaftlichkeit miteinander kombinieren kann. So, das war jetzt schon das dritte Beispiel.
Felix Stalder, Kultur der Digitalität, nebenbei ein sehr lesenswertes Buch, ebenso wie das von Armin Nassehi geschriebene Mustertheorie der digitalen Gesellschaft. Und nun kommen wir zur vierten und zur letzten Perspektive, ehe ich dann noch eine versuche, das Ganze ein bisschen zusammenzufassen und so eine Idee zu entwickeln, was das für die Gestaltung des digital-analogen Lebensraums alles bedeuten könnte. Auch die letzte Perspektive basiert auf einem Buch, genauer gesagt auf dem Buch The Cluetrain Manifesto von Rick Levine, Howard Reingold und ein paar anderen sehr schlauen und spannenden Autoren.
Und dieses Buch, das gibt es schon ein bisschen länger. Das ist in den 2000er Jahren so geschrieben worden und hat damals eine unglaubliche Welle, eine unglaubliche Wirkung erzeugt. Und es war der Versuch zu überlegen, was bedeutet eigentlich Digitalisierung für uns? Diese Autoren haben dann die Entscheidung getroffen, zum einen sich auf den Bereich Wirtschaft zu fokussieren, mit dem Hintergrund zu sagen, was in der Wirtschaft relevant ist, wird auf kurz oder lang auch in anderen Bereichen unserer Gesellschaft relevant werden.
Und zum anderen haben sie natürlich das Ganze erst mal typisch, könnte man sagen, amerikanisch, nicht mit irgendeinem wissenschaftlichen Text begonnen, sondern mit 95 Thesen. Angelehnt an die 95 Thesen Martin Luthers hat man also 95 Thesen entwickelt und die erste These war Markets are Conversations. Das war damals, muss ich vorstellen, also das war damals für Wirtschaftsunternehmen erst mal ein Schock.
Man stellte mit dieser einen Aussage und allen weiteren 94 Thesen, die darauf folgten, so diese ganzen Grundstrukturen des Marketings und des Managements und allem einfach mal völlig auf den Kopf. Wenn man gesagt hat, egal was ihr tut, eure Produkte sind egal, alles, was ihr tut, das Einzige, was ihr tun müsst, also das Einzige, was euch am Überleben halten wird, ist der Dialog mit den Menschen. Und mit diesen Menschen, da geht es nicht nur darum, sie in irgendeiner Form, so wie es heute ja ganz oft erleben in den sozialen Medien.
Also in den sozialen Medien finden wir ganz viele Unternehmen, die anscheinend nicht verstanden haben, dass es sich bei den sozialen Medien um Dialogmedien handelt, sondern da werden irgendwelche drittklassigen Social-Media-Kampagnen rausgehauen, wahrscheinlich mit dem Ziel, dass da möglichst viele Leute irgendwo draufdrücken. Aber ein wirklicher Dialog über das Unternehmen, über die Produkte, über die Bedarfe der Kunden findet da überhaupt nicht statt. Ganz im Gegenteil.
Also dass man bleibt dabei, dass man ein Produkt hat und das Produkt soll dann irgendwie über die sozialen Medien quasi vermarktet werden. Und dann gibt es da, wie gesagt, irgendwelche Kampagnen, da wird Werbung gemacht und dann sollen die Menschen irgendwie sagen, das finde ich toll. Und wenn kritisiert wird, dann heißt es entweder ja, wir nehmen das mal auf oder es wird versucht, irgendwie zu erklären.
Aber wir hätten es sicher auch einfacher machen können. Das ist eine der interessanten Punkte, auch die in diesem Buch The Goodwill Manifesto beschrieben wird. Man hätte ja hingehen können von vornherein und mit den Kunden dieses Produkt entwickeln können.
Das wäre ja viel einfacher gewesen. Dann ist ja die Chance viel größer, dass du die Bedarfe der Kunden auch in irgendeiner Form mit aufnehmen kannst. Und ich finde, diese Idee, dieses Buch ist einfach großartig, weil sie noch stärker als bei allen von mir schon beschriebenen Perspektiven den Menschen und seinem Bedarf nach Kommunikation in den Fokus stellt, aber nicht auf der Ebene von schlechter PR.
Das Allermeiste, was ich in den sozialen Medien von Organisationen und Institutionen sehe, ist doch nichts anderes als schlechte PR. Das sind die Konzepte aus der prädigitalen Ära, die dann irgendwie im Digitalen rausgehauen werden. Warum? Keine Ahnung, weil irgendeine Agentur denen vielleicht gesagt hat, so müsse man das machen.
Und dann kann der Chef oder die Chefin der Agentur mit dem neuen Porsche nach Hause fahren und man hat die hundertmillionstmilliardste schlechte Social Media Kampagne und wir müssen uns damit rumschlagen. Wenn man Glück hat, ist dann noch irgendwas Lustiges dabei. Dann ist es halbwegs zu ertragen.
Ansonsten ist das einfach nur störend und man könnte es anders machen. Man könnte übrigens sehr vieles anders machen. In diesem Buch, The Cluetrain Manifesto, gibt es beispielsweise am Anfang ein Konzept, wie man Daten nutzen kann, um eine ganz andere Form der Verbindung zwischen Unternehmen und Kunden zu ermöglichen.
Also wir haben ja, wir kennen ja, die meisten von uns werden das kennen, so was wie CRM-Systeme. Also da geht es darum, ganz einfach ausgedrückt, man sammelt möglichst viele Daten von den Kunden, damit man dann ihnen entweder das vorhandene Produkt besser schmackhaft machen kann, weil man weiß, wie man es ihnen liebevoll ausgedrückt übersetzen muss oder aber wenn es gut läuft, versucht man vielleicht das Produkt auch an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen. Meiner Meinung nach ist das eher seltener der Fall.
Das sind so CRM-Systeme und der Nachteil ist natürlich ganz klar, da werden die ganze Zeit Daten gesammelt bei den Unternehmen und dann haben wir immer so ein Datenschutzproblem und die Frage geben die Leute, die überhaupt wirklich freiwillig die Daten wollen, also es geht ja auch sehr oft so, dass die Menschen dann verständlicherweise sagen, ich will gar nicht, dass ihr alle meine Daten habt und dann wird die Datenlage immer ein bisschen schwächer und so weiter. Da gibt es ganz viele Themen, ganz viele Fragestellungen, die aus meiner Sicht, die sind zwar nicht ungeklärt, aber diese ganzen Situationen sorgen dafür, dass das in meiner Wahrnehmung nicht wirklich perfekt funktioniert. Und in diesem Buch hatte man beispielsweise die Idee zu sagen, lasst es uns doch anders machen, statt CRM machen wie VRM.
Die Idee ist verhältnismäßig einfach, natürlich werden auch da Daten gesammelt, aber nur von den Menschen selbst. Also stellt euch das vor, wir haben irgendwie ein Smartphone und die meisten Menschen von uns haben irgendwie Smartphones, vielleicht nutzt ihr auch gerade ein Smartphone, um diesen Podcast zu hören und die Idee ist zu sagen, ihr sammelt zum Beispiel auf diesen Smartphones, die gab es damals jetzt noch nicht, als das Buch geschrieben wurde, aber heutzutage, man sammelt da Daten ohne Ende und das sind unsere Daten, die gehören uns, da kann niemand drauf zugreifen. Gar keine Chance, das machen alles wir selber und wir sammeln wahrscheinlich dann viel, viel mehr Daten, als wir bereit wären, irgendwo einfach rauszugeben oder wo wir sagen würden, nehmt die Daten, sammelt von mir Daten, sondern das ist ja was, wo wir eher sagen würden, weniger bitte davon, aber wenn wir die Daten selber sammeln, weil sie bei uns eine Mehrwert bringen für irgendwelche Prozesse, ja natürlich tun wir das.
Und dann haben wir so eine Situation, dass wir ganz viele Daten gesammelt haben und dann, wenn wir beispielsweise eine Reise buchen wollen oder irgendwas anderes machen wollen, dann geben wir selbst bestimmten Unternehmen unsere Daten frei für einen bestimmten Zeitraum und dann dürfen die auf Basis dieser Daten und dann Vorschläge für ihre Produkte machen. So, da wird immer noch Daten gesammelt, wahrscheinlich wäre die Datenlage in diesem Bereich viel größer, würde wahrscheinlich ganz vielen Agenturen irgendwie die Zukunft kosten, deswegen, es gibt übrigens immer noch auch Universitäten, wo dieses Thema immer weiter gedacht wird und so weiter. Ich habe mal gelesen davon, dass es in Indien mal einen Ansatz gab, das noch viel stärker zu nutzen, also sehr interessantes Thema und da steht alles in diesem Cluetrain Manifesto drin.
So, warum finde ich das jetzt so spannend im Vergleich zu Felix Stahl, Armin Nassehi oder auch meinem Ansatz der digitalen analogen Lebensrealitäten? Weil ich glaube, dass dieses Buch nochmal eine viel bessere oder eine gute Verbindung schafft zwischen diesen einzelnen Bereichen, weil es beim Cluetrain Manifest ja nochmal ganz klar um Menschen und ihre Kommunikationsbedürfnisse geht und nicht nur um die Frage, ob du mit mir irgendwie geredet hast, sei es mit so einer schlechten Social-Media-Kampagne oder irgendeiner Webseite oder irgendwas anderem, sondern es geht darum, dass diese Kommunikation einen Mehrwert erzeugen, also sprich, sie muss eine Wirkung erzeugen. Es macht also überhaupt keinen Sinn, wenn jemand einfach nur mir auf Facebook oder sonst wo irgendwie die ganze Zeit Informationen rüberwirft und dann auf meine Kommentare entweder gar nicht reagiert oder aber auf das, was ich da dann als Kommentar gebe, nicht inhaltlich reagiert, sondern maximal so, ja, wir kümmern uns drum oder ja, wir haben es aufgenommen oder irgend sowas. Und das ist, finde ich, eine ganz spannende Angelegenheit dabei.
Und das Zweite ist natürlich, dass sie damals, das ist ja schon mittlerweile 24 Jahre her, dass dieses Buch geschrieben wurde, sind sie immer noch extrem aktuell. Also ganz viele von diesen Fragestellungen, die in diesem Buch drinstecken, sind ja bis heute nicht umgesetzt worden. Also die Idee Markets are Conversations ist bis heute nicht umgesetzt worden.
Da struggeln immer noch ganz viele Organisationen und Institutionen dran. Das merkt man beispielsweise, wenn die bei irgendwelchen Social-Media-Postings oder sowas, ich bin jetzt viel gerade mit Social-Media am Sprechen, da gibt es auch andere Beispiele, aber die dann sehr stark bei dieser Ebene von Social-Media immer nur irgendwelche Sachen raushauen. Und man merkt, es interessiert die gar nicht, was du da als Kommentar abgibst.
Es ist eigentlich völlig egal. Manchmal gibt es noch irgendwie ein Gefällt mir, wenn du was Positives geschrieben hast. Da denke ich mal, wird irgendeine KI hinter sein, die gemerkt hat, da gab es ein positives Feedback.
Da drücken wir jetzt mal Gefällt mir oder sowas in der Richtung. Aber das ist nicht nachhaltig, ist nicht umfassend. Das gestaltet auch keinen digital analogen Lebensraum.
Ganz im Gegenteil. Es zerstört den digital analogen Lebensraum eher, weil wir damit quasi mit Müll zugeworfen werden. Also die Werbung im Digitalen ist ja eigentlich vor allen Dingen Müll, extrem viel Müll.
Und bis du da was findest, was für dich relevant ist, dass das dauert. Da musst du schon selber die Algorithmen gut trainiert haben, sozusagen durch dein Verhalten bewusst trainiert haben, damit da mal was Vernünftiges bei rauskommt. Übrigens ganz nebenbei bemerkt, das ist für mich ja eigentlich auch das Spannende bei der KI.
Momentan diskutieren wir ja das Thema KI immer nur aus der Ebene der Organisationen und Unternehmen, nie aus der Ebene der Kunden. Ich verstehe nicht, warum wir nicht sagen, anstatt die Unternehmen jetzt fünf Milliarden KIs bauen zu lassen, die da irgendwas tun sollen, warum versuchen wir nicht die Kunden mit KIs auszustatten. Und die haben dann individuelle Assistenzsysteme.
Die Daten werden in den Systemen gesammelt und nicht weitergegeben. Und dann können die Assistenzsysteme dir helfen und für dich quasi auf die Suche gehen nach den passenden Unternehmen, den passenden Produkten und so weiter. Das wäre so ein spannender Ansatz.
Also das Cluetrain Manifest fasst diese Idee zusammen, dass man sagt, es geht eigentlich immer noch um menschliche Kommunikation. Auch da ist eine Verbindung zu Armin Nassehi. Kommuniziert haben wir auch vorher schon.
Und auch vorher ging es uns schon auf den Keks, wenn aus der Kommunikation nicht mehr wurde und man das Gefühl hatte, die machen da nur drittklassige Werbung. So in dem Sinne kann man also sagen, wir haben jetzt viele verschiedene Perspektiven gehört. Vier, nicht viele, vier verschiedene Perspektiven gehört.
Und gleich werde ich zu Abschluss noch mal versuchen, diese vier Perspektiven zusammenzufügen.
Was bedeutet Digitalisierung? Was bedeutet digitalen Raum ist. Und wenn wir dann rübergehen zu Amin Nassehi, dann ist es natürlich erst mal wichtig, dass wir immer wieder die Frage stellen, welches Problem soll denn eigentlich gerade durch Digitalisierung gelöst werden. Und wenn man jetzt auf der Meta-Ebene von Armin Nassehi denkt, dann landet man bei dem Thema Komplexität.
Und immer bei der Frage, dass es ja nicht darum geht, dass die Komplexität verschwinden soll durch das Digitale, sondern dass wir Zugang dazu haben wollen. Und darüber hinaus, und das ist, finde ich, noch viel spannender, diese Erkenntnis, wir tun dort etwas im Digitalen, was wir eigentlich schon immer getan haben. Es ist jetzt anders.
Die Art und Weise, wie wir es tun, ist anders. Man könnte auch das wieder mit diesem Remix-Verhalten verbinden. Also da gibt es, da gab es schon immer ein Muster, schon immer eine Handlung, etwas, was wir getan haben.
Die Art und Weise, wie wir unsere Umwelt wahrgenommen haben, wie wir sie gestaltet haben, all das gab es schon. Aber wir haben immer wieder neue Muster daraus erzeugt, immer wieder neue Varianten davon. Durch das Digitale können wir die Anzahl der Varianten, die Kombinationen, die Umsetzungen, die Funktionen massiv erhöhen.
Das Entscheidende ist also nicht die digitale Technologie. Die hat vereinfacht ausgedrückt nur die Aufgabe, all das zu ermöglichen. Viel spannender ist das, was wir damit tun und was damit ermöglicht werden soll.
Und wenn Menschen das Digitale so nutzen, wie wir es tun, also wenn Digitalität eine Querschnittsfunktion durch unser Leben ist und das ist sie letztendlich gesehen, weil wir ja die Grundfunktion schon seit vielen hundert Jahren umgesetzt haben, dann stehen irgendwann in der Kombination mit digitalen Plattformen neue Denk- und Handlungsmuster. Eine Kultur der Digitalität, die, so könnte man jetzt Felix Stalder hinzuziehen, zum Beispiel auf diesen Funktionen Gemeinschaftlichkeit, Referentialität und Algorithmizität basiert. Und dann gibt es dieses Cluetrain Manifesto, das noch mal laut hinaus posaunte vor vielen, vielen Jahren und diesen Fokus auf den Menschen noch viel stärker, noch viel stärker kommunizierte.
Markets are Conversations. Und das ist auch ganz spannend, weil wir da sehen können, das wurde schon vor vielen Jahren gedacht. Und es wurden auch Ideen und Konzepte entwickelt.
Auch da ist es für uns wichtig zu verstehen, alles das, was wir im Digitalen jetzt erleben, ist nicht in Stein gemeißelt. Für die allermeisten Dinge, die wir tun, für die allermeisten Plattformen gibt es alternative Ansätze. Gerade wenn man solche Diskussionen gerade aktuell führt über die Frage, was machen wir mit einer Plattform wie X, dann ist die große Frage, ja, gibt es da Alternativen? Ja, die gäbe es.
Aber das funktioniert nur dann, wenn wir uns von diesen Plattformen an sich lösen und uns auf diese Funktionen konzentrieren, die wir damit umsetzen wollen. Denn das ergibt die eigentlichen Mehrwerte. Und ich habe natürlich über meine Schallplattensammlung gesprochen und darüber, was ich alles tun kann.
Also wie ich mein analoges Erlebnis, Schallplatten zu hören, durch das Digitale erweitern kann. Und damit möchte ich auch diese Podcast-Folge enden lassen. Am liebsten natürlich, indem ich jetzt einfach eine Musik spiele, irgendeine Schallplatte anmache und dann hören wir alle noch mal rein.
Geht natürlich nicht wegen Urheberrecht und dem ganzen Wahnsinn mit GEMA und Go, das will ich mir jetzt nicht geben. Also insofern nehme ich diese Musik, die ich selber programmiert habe. Das ist nämlich etwas, was ich nebenbei auch noch freudigst mache, dass ich eben meine Musik für den Podcast selber produziere.
Und da ich nicht in der GEMA bin, bin ich dann verhältnismäßig safe. Dann kann ich damit wunderbar umgehen. Also, aber das ist ein ganz wichtiger Pucken, wir alle.
Und vielleicht wäre das auch ein guter Startpunkt, ja. Es wäre ein gutes Ende für diese Podcast-Folge, aber vielleicht auch ein guter Startpunkt für Sie, für euch, wenn ihr alle zusammen darüber diskutiert, was denn eure Perspektiven auf das Digitale ist. Dann nehmt bitte nicht irgendwelche Beschreibungen von digitalen Plattformen, sondern überlegt euch etwas, was in eurem Leben durch das Digitale erweitert wurde.
Und das können ganz triviale Dinge sein, aber nehmt das als als Startpunkt und diskutiert darüber. Und diskutiert auch gerne darüber, was euch fehlen würde, wenn es dann diese digitale Version davon nicht mehr geben würde. Und dann können wir gemeinsam darüber nachdenken, was das bedeutet für den digital-analogen Lebensraum, genauer gesagt für seine Gestaltung.
Aber dafür haben wir ja noch einige Podcast-Folgen vor uns. In dem Sinne wünsche ich eine wunderbare Zeit, viele spannende Diskussionen, freue mich auf Feedback und wenn diese Podcast-Folge dann komplett zu Ende ist, dann macht ihr bitte was Analoges. Bis dann.
Ciao.
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