Folge 3: Transformation und Gesellschaft - Teil 1

Shownotes

Die aktuelle politische Situation ist durch mehrdimensionale Krisen gekennzeichnet. Ein zunehmender Rechtsruck und weitreichende Veränderungen im Bereich der Sozialen Medien können bedeuten, dass wir neu über die Weiterentwicklung unserer Gesellschaften nachdenken müssen.

In dieser Folge des Deegitalitäten-Podcasts geht es um die These, dass diese aktuellen Krisen immer im Kontext eines umfassenden Transformationsdrucks wahrgenommen werden müssen. Dieser Transformationsdruck in Kombination mit fehlenden Transformationsdynamiken sorgt dafür, dass zunehmend extremistische Kräfte an Relevanz gewinnen.

Diese Folge ist der erste Teil einer Doppelfolge, in der ich die aktuelle politische Situation aus der Perspektive der Transformation beleuchte. Ich gebe Beispiele für aktuelle Herausforderungen, spreche über die damit verbundenen Wechselwirkungen und die Rolle der (Nicht-) Digitalisierung unserer Gesellschaft.

Transkript anzeigen

Deegitalitäten Podcast Folge 3 final v3 - für Transkription1

Deegitalitäten, der Podcast über die Gestaltung des digital-analogen Lebensraums. Folge 3, Transformation und Gesellschaft, Teil 1. Herzlich willkommen zur dritten Folge von Deegitalitäten, dem Podcast über die Gestaltung des digital-analogen Lebensraums. Mein Name ist Christoph Deeg und in dieser dritten Folge geht es um Transformation und Gesellschaft.

Diejenigen von Ihnen, diejenigen von euch, die sich die ersten beiden Podcast-Folgen bereits angehört haben, werden sich jetzt vielleicht fragen, Moment mal, wollte er in dieser dritten Folge nicht anfangen über Modelle zu sprechen? Modelle, die es uns ermöglichen sollen, digitale Strukturen, Systeme und Prozesse besser zu verstehen. Und ja, das habe ich angekündigt und das werde ich in den nächsten Folgen auch tun. Aber angesichts der aktuellen politischen Lage in Deutschland, wie auch in vielen anderen Ländern, habe ich mir überlegt, dass es sehr interessant sein könnte, das Ganze mal aus der Perspektive von digitaler Transformation und Gamification zu betrachten.

Ich tue das nicht mit dem Anspruch, dass ich jetzt alles final erklären kann, dass ich jetzt weiß, was wirklich passiert oder gar alle Lösungen habe, um die aktuellen und zukünftigen Krisen und Probleme zu lösen. Was mir aber auffällt, ist, dass wir bei allen wichtigen Diskussionen, beispielsweise über Extremismus, über soziale Gerechtigkeit und über weitere auch globale Fragen, wir immer gerne das Thema Transformation bzw. auch digitale Transformation übersehen bzw.

aus meiner Sicht nicht ausreichend berücksichtigen. Und ich denke, dass wir, wenn wir diese Brille sozusagen anziehen und das Ganze mal aus dieser Perspektive betrachten, dass dann vielleicht ein paar weitere Erkenntnisse und auch Lösungsmöglichkeiten oder Optionsräume zumindest entstehen können, die uns helfen können, mit diesen aktuellen Situationen jetzt und in der Zukunft umzugehen. Denn ich glaube, dass wir in den nächsten Jahren eine Phase der Instabilität in der Politik, in der Gesellschaft, auch in der Wirtschaft erleben werden.

Wir müssen uns überlegen, wie können wir damit umgehen im Sinne eines, wie verhindern wir, dass daraus im Endeffekt diktatorische, extremistische Gesellschaften werden? Wie verhindern wir weitergehende globale Konflikte? Wie können wir dafür sorgen, dass so ganz zentrale Elemente wie Demokratie, aber auch Gerechtigkeit immer noch eine Rolle spielen, wenn es darum geht, unseren Gesellschaften zu gestalten? Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, diese Folge diesem Thema zu widmen. Und ich werde das tun, indem ich ganz bestimmte Fragestellungen beschreibe und diskutiere, in der Hoffnung, dass wir darüber in einen Dialog treten können und gemeinsam herausfinden kommen, ob und wenn ja, wie diese Perspektiven, also die Perspektive von digitaler Transformation, Gamification, Game Thinking und einigen weiteren Elementen, wie diese Perspektive gegebenenfalls helfen kann, die aktuelle Situation besser zu verstehen. Und daraus resultierend auch unsere Gesellschaften, im Kleinen wie im Großen, mitzugestalten.

Beginnen wir mit zwei Ausgangsthesen. Die eine These ist, dass wir im Moment Gesellschaften erleben, die unter einem maximalen Transformationsdruck stehen. Und dieser Transformationsdruck steht in Verbindung zu einer fehlenden Transformationsdynamik.

Das bedeutet, wir müssen eigentlich an sehr vielen Stellen in den Gesellschaften Veränderungen durchführen. Wir müssen diese Gesellschaften weiterentwickeln, haben aber verlernt, diese Veränderung als ein zentrales Element dieser Gesellschaften anzusehen. Wir haben also politische Systeme, die primär auf Stabilität aussehen, die primär den Menschen das Gefühl geben sollen, es muss sich nichts ändern, du musst dich nicht ändern.

Und somit wird alles, was in irgendeiner Form mit Veränderungen zu tun hat, als negativ angesehen. Und das ist eigentlich sehr schade, denn wir haben durchaus auch die Option, Veränderung als etwas Positives zu sehen, quasi als Weiterentwicklung. Und dieses Narrativ einer gesellschaftlichen Weiterentwicklung im Sinne einer Innovation ist aus meiner Sicht abhandengekommen.

Die zweite These ist, dass das Thema Digitalisierung bei der Transformation unserer Gesellschaft beziehungsweise einzelner Teile unserer Gesellschaft wie Politik, Wirtschaft, Kultur, Bildung und vielen weiteren Bereichen eine zentrale Rolle spielt. Und dies auf zwei unterschiedlichen, aber miteinander verbundenen Ebenen. Zum einen ist Digitalisierung ein zentraler Hebel, um Transformationen zu ermöglichen, um neue Wege der Weiterentwicklung einer Gesellschaft zu gehen.

Ich werde im Laufe dieser Podcast-Folge darauf noch im Detail eingehen. Auf der anderen Seite ist aber Digitalisierung selbst eine große Herausforderung. Wir müssen erstmal lernen, mit Digitalisierung umzugehen.

Und dabei geht es nicht nur um die Frage, ob wir in der Lage sind, eine Art digitale Infrastruktur zur Verfügung zu stellen oder ob wir überhaupt in der Lage sind, mit diesen verschiedenen digitalen Tools umzugehen. Ja, digitale Infrastruktur, digitale Kompetenzen sind von zentraler Bedeutung. Aber viel relevanter ist die Frage, ob wir verstehen, was dieser digitale Optionsraum überhaupt ist.

Ich hatte das in der letzten Podcast-Folge auf unterschiedlichsten Ebenen bereits angesprochen. Also sind wir in der Lage, den Optionsraum, der sich aus der Digitalisierung ergibt, zu nutzen, um unsere Gesellschaft umfassend und nachhaltig transformieren zu können. Und da habe ich ein großes Fragezeichen.

Man könnte also auch sagen, wir stehen unter einem großen Transformationsdruck. Das Thema Digitalisierung ist für die Behebung der aktuellen Probleme von zentraler Bedeutung. Das heißt, um Transformation zu ermöglichen, müssen wir unter anderem uns sehr stark mit dem Thema Digitalisierung und allen damit verbundenen Themenbereichen beschäftigen.

Damit ist nicht nur gemeint eine technologische Betrachtung, sondern vor allen Dingen auch eine funktionale Betrachtung und ebenso die Frage, welche neuen Denk- und Handlungsweisen denn benötigt werden bzw. durch Digitalisierung ermöglicht werden können und natürlich auch, wo die damit verbundenen Risiken liegen, was denn da alles schiefgehen kann. Denn das hatte ich ja auch schon an anderer Stelle betont.

Digitalisierung an sich löst keine Probleme. Digitalisierung kann ein wertvolles und sinnvolles Werkzeug sein, um Probleme zu lösen. Aber dafür muss man etwas mit Digitalisierung tun.

Man muss sie aktiv gestalten. Etwas, was ich auch in den nächsten Podcast-Folgen immer wieder betonen werde. Nur durch die aktive Gestaltung des Digitalen sind wir in der Lage, die vermeintlichen möglichen Chancen daraus zu nutzen und für unsere Gesellschaft gewinnbringend einzusetzen.

Aber was macht denn diese aktuelle Situation so besonders? Warum spreche ich von einem erheblichen Transformationsdruck? Wenn wir uns die Geschichte ansehen, stellen wir fest, in den letzten Jahrhunderten gab es immer wieder große Krisen und große Konflikte. Es gab immer wieder Zusammenbrüche von Staaten. Es gab immer wieder die Situation, dass sich Staaten oder Gesellschaften neu erfinden mussten.

Das ist an sich nichts Neues. Das Neue ist aus meiner Sicht zum einen, dass diese aktuellen Krisen, Konflikte und Herausforderungen einen erheblichen Einfluss haben auf das, was wir tun, beziehungsweise wie unser Leben aussehen kann. Und zum anderen, dass es sich um mehrdimensionale Probleme handelt.

Also um Probleme, die sehr unterschiedliche Bereiche der Gesellschaft betreffen, die aber gleichzeitig miteinander in Verbindung stehen, in Wechselwirkung miteinander stehen und damit durch die Wechselwirkung noch viel stärkere Reaktionen im System hervorrufen. Und ich möchte dafür einfach ein paar der Themen im Folgenden beschreiben und möchte aufzeigen, wo dort die großen Probleme sind. Einiges davon wird Ihnen, wird euch schon bekannt sein, aber aus der Sicht der Transformation ergeben sich dann auch ganz besondere und sehr interessante Lösungsmöglichkeiten oder zumindest gedankliche Optionsräume.

Ich betrachte also eine Gesellschaft wie ein System, so wie ich auch andere Systeme betrachte in meiner Arbeit. Und was auffallend ist, ist, dass wir bei den aktuellen Themen, die unsere Gesellschaft beziehungsweise unsere Gesellschaften beschäftigen, wir eigentlich über Themen reden, die wir schon seit 30 bis 40 Jahren diskutieren. Da ist eigentlich nichts Neues hinzugekommen.

Und wir wissen seit 30 bis 40 Jahren, dass da etwas auf uns zukommt. Wir wissen über die Risikoräume, Stichwort Klimawandel. Wir wissen über die Optionsräume, Stichwort Digitalisierung.

Und doch waren wir aus irgendeinem Grund nicht in der Lage, schnell, nachhaltig und umfassend zu agieren. Wir haben abgewartet. Es gab das Narrativ der Stabilität.

Und dieses Narrativ der Stabilität wurde letztlich zu einem Narrativ des Stillstands. Und nun haben wir diesen großen Transformationsdruck. Wir müssen nun etwas tun.

Und die Optionen, die wir haben, um innerhalb der aktuellen Situation zu agieren, sind durch unser Abwarten geringer geworden. Wir müssen also nicht mehr nur unser Handeln, unser Denken verändern, wenn es darum geht, konkrete Prozesse und Strukturen anzupassen. Nein, wir müssen auch neu lernen, dass Veränderung etwas Gutes ist, dass sie hilfreich sein kann und dass wir in der Lage sind, Veränderungen zuzulassen und erfolgreich zu gestalten.

Und da ist dann ein ganz weiterer wichtiger Punkt schon benannt worden, nämlich, dass wir das Ganze aktiv gestalten müssen. Wir dürfen und können nicht abwarten, bis irgendjemand kommt, eine Person, eine Regierung, ein Unternehmen oder was auch immer, die das dann für uns lösen. Was wir brauchen, ist vielmehr die Bereitschaft, selber Verantwortung zu übernehmen und zu versuchen, unseren kleinen Teil dazu beizutragen.

Das mag ein bisschen moralisieren klingen, ist aber gar nicht so gemein. Es geht vielmehr um die Frage, ob wir in der Lage sind, die Ressourcen, die Fähigkeiten, die Kompetenzen, die Möglichkeiten, die ja in unserer Gesellschaft vorhanden sind, auch so zu nutzen, damit wir alle weiterhin in dieser Gesellschaft existieren können. Und damit ist auch nicht gemeint, eine Planwirtschaft zu erzeugen.

Das hat nichts mit Sozialismus oder Kommunismus zu tun. Es hat etwas damit zu tun, dass wir in der Lage sein müssen, zu verstehen, dass wir uns verändern müssen, aber auch uns verändern können und dass das eine sehr hilfreiche Sache für uns alle ist. Das erste und vielleicht auch größte Transformationsthema ist natürlich der Klimawandel.

Der Klimawandel ist deshalb so besonders oder beziehungsweise so relevant für uns, weil er zum einen unumkehrbar ist. Das bedeutet, wir können nicht in irgendeiner Form davon ausgehen, dass wir etwas anders machen und dann quasi wieder auf die Siegerstraße kommen, so im Vergleich zu ökonomischen Modellen, wo man sagt, okay, mein Produktportfolio ist nicht gut genug, ich ändere es und dann bin ich wieder ganz vorne. Sondern alles das, was wir jetzt nicht tun und leider auch bis jetzt nicht getan haben, sorgt für einen unumkehrbaren Prozess.

Das heißt, wir werden erleben, dass der Klimawandel eine weitreichende Wirkung auf alle unsere Gesellschaften haben wird. Und es geht momentan ja auch gar nicht mehr darum, den Klimawandel zu verhindern, sondern nur noch zu versuchen, ihn möglichst abzuschwächen, zu verhindern, dass die allerschlimmsten Simulationen, die allerschlimmsten Voraussagen nicht eintreffen. Das zweite große Thema im Bereich Klimawandel ist, dass wir hier in einer Situation sind, dass eine Herausforderung da ist, die wir nur gemeinsam lösen können.

Das bedeutet, nur globale Strategien können helfen, den Klimawandel erfolgreich zu bekämpfen oder zumindest die Schäden oder die Auswirkungen zu minimieren. Und das ist natürlich sehr schwierig, denn die meisten Gesellschaften oder fast alle Gesellschaften stehen ja in Konkurrenz zueinander. Das heißt, wir erzeugen hier einen Konflikt, den wir auch beispielsweise in der Ökonomie schon überall sehen können.

Also, dass Gesellschaften sagen, warum soll ich denn beispielsweise jetzt vorangehen? Warum soll ich denn jetzt anfangen, alternative Energien anzuwenden? Warum soll ich auf Atomkraft verzichten oder auf Gaskraftwerke oder Kohlekraftwerke? Oder warum soll ich auf Verbrennermotoren verzichten, die fossile Brennstoffe verbrennen? Warum soll ich das alles machen? Dann habe ich ja einen Nachteil gegenüber den anderen. Das heißt, wir brauchen auf der einen Seite ein kollektives Vorgehen, ein gemeinsames Vorgehen. Und auf der anderen Seite stehen diese Systeme in Konkurrenz zueinander.

Und es kann natürlich bedeuten, dass eine Entscheidung, wie beispielsweise auf einen ganz bestimmten Energieträger zu setzen, der dann nachhaltig und klimaschonend ist, dass man da in der ersten Zeit, vielleicht sogar über einen längeren Zeitraum, einen Nachteil, einen wirtschaftlichen Nachteil beispielsweise hat. Und da muss man sich überlegen, wie kann man damit umgehen? Und dass die aktuelle globale Situation, dass auch Großmächte in einer Konkurrenzsituation zueinander stehen und aus meiner Sicht verhältnismäßig selten zeigen, dass sie da zusammenarbeiten wollen, macht die Sache natürlich nicht viel einfacher. Wir, die bundesdeutsche Gesellschaft, ist ja auch eine verhältnismäßig kleine Gesellschaft.

Übrigens nebenbei bemerkt einer der Gründe, warum ich so ein großer Fan der Europäischen Union bin. Aber auch da erkennt man natürlich, wie schwer es ist, diese konkurrierenden Modelle miteinander zusammenzubringen, in Einklang zu bringen. Das ist sehr, sehr schwierig, vielleicht sogar unmöglich.

Und dann haben wir also ein Thema wie den Klimawandel mit unumkehrbaren Folgen und mit der Situation, dass es global in einem gemeinsamen Handeln gelöst werden muss. Die unterschiedlichen konkurrierenden Systeme aber genau das verhindern und man darüber hinaus auch in einer Situation ist, dass dann durch die Schwierigkeiten, die durch den Klimawandel entstehen, das heißt, durch den Klimawandel werden wir ja große, erhebliche Kosten haben. Für die Bearbeitung von Klimaschäden.

Das sind Milliardenbeträge, auch in der bundesdeutschen Gesellschaft. Wir werden erleben, dass ein immer größerer Haushaltsposten wird, dass wir Klimaschäden bezahlen müssen. Und wir werden gegebenenfalls auch erleben, dass es immer mehr Waldbrände, immer mehr Unwetter geben wird, dass es Ernteausfälle geben wird, dass wir globale Flüchtlingsströme bekommen, weil einfach Teile unseres Planeten nicht mehr bewohnbar sind.

Das sind alles Themen, die real sind, die wir aktuell schon erleben und die wahrscheinlich schlimmer werden. Das heißt, wir haben also die Situation, dass die Auswirkungen des Themas Klimawandel immer spürbarer werden, immer mehr vorhanden sind, was natürlich auch eine Frustration bei den einzelnen Menschen erzeugt. Also beispielsweise, ich wohne hier ja in Nürnberg und man ist da natürlich im Winter auch in Bayern unterwegs und wenn man sich mal so anschaut in den Bergen, stellt man fest, dass ganz, ganz viele Hotels immer wieder sagen, wir haben ein großes Problem, denn wir haben im Winter keinen Schnee mehr.

Ganz viele Skilifte werden nicht mehr angeschaltet, weil einfach kein Schnee mehr da ist. Das heißt, da muss man sich beispielsweise überlegen, wie ändere ich das jetzt? Und jetzt passiert Folgendes. Auf der einen Seite gibt es durch den Klimawandel, also durch den Wunsch, den Klimawandel möglichst aktiv zu bekämpfen.

Neue Vorgaben, neue Richtlinien, auch neue Fragestellungen. Das erzeugt einen Druck, denn es muss sich etwas verändern. Und dann auf der anderen Seite entsteht ja auch ein Veränderungsdruck deshalb, weil beispielsweise bei den Hotels einfach die Gäste wegbleiben, weil die ja gar nicht mehr Skifahren können, wenn kein Schnee mehr da ist.

Und das ist so ein ganz kleines Beispiel, da könnte man Tausende von bringen, wo also wir genau diese Situation erleben, dass wir auf der einen Seite etwas ändern müssen, weil ein Transformationsdruck da ist, wie auf der anderen Seite aufgrund der Tatsache, weil wir so lange zu wenig getan haben, auch mit Konsequenzen leben und umgehen lernen müssen, die dazu führen, dass sich auch auf dieser Ebene alles nochmal ändert. Ein weiteres Thema, welches für diesen aktuellen Transformationsdruck verantwortlich ist, ist das Thema Demografie. Geburtenstarke Jahrgänge gehen in ihren verdienten Ruhestand.

Das bedeutet zum einen, es entstehen Kosten, denn diese Menschen haben ein Anrecht auf Rentenzahlungen und sie erzeugen erhöhte Kosten im Gesundheitssystem. Das ist so, wenn Menschen älter werden, erzeugen sie sehr oft erhöhte Kosten im Gesundheitssystem. Und diese Kosten für Rente, für Gesundheit und viele weitere Bereiche, die müssen jetzt irgendwie ermöglicht werden bzw.

realisiert werden. Das heißt, es muss jemand da sein, der das Geld erwirtschaftet, damit das alles möglich ist. Gleichzeitig fehlen uns aber dadurch, dass diese Menschen jetzt in den Ruhestand gehen, sehr viele Arbeitskräfte und sehr viele Fachkräfte.

Ja, wir haben nicht nur einen Fachkräftemangel, wir haben auch einen Arbeitskräftemangel. Wir haben also eine Situation, in der zum einen neue Kosten entstehen und zum anderen die Möglichkeiten reduziert werden, das Geld zu erwirtschaften, das wir brauchen, um diese ganzen Kosten dann auch übernehmen zu können. Wir können auch nicht davon ausgehen, zumindest nicht aktuell, dass wir beispielsweise durch Digitalisierung einen Teil des Problems lösen können bzw.

den Impact verringern können, denn wir sind nun mal keine digitale Gesellschaft geworden bis jetzt. Wir sind noch nicht mal in der Lage, eine digitale Verwaltung zu haben. Da sind wir noch Lichtjahre von entfernt.

Da arbeiten wir seit Jahren dran, aber wir haben es bis heute nicht geschafft. Das heißt also, diese Idee zu sagen, durch Digitalisierung können wir zumindest einen Teil der Prozesse automatisieren, sodass wir dann gar nicht mehr diese große Anzahl an Fachkräften und Arbeitskräften brauchen, die ist im Moment in der Breite zumindest nicht umsetzbar. Es ist aber nicht nur ein Kosten- und Ressourcenproblem, das wäre sehr unfair.

Wir haben noch ein weiteres Problem. Wir haben nämlich die Situation, dass da eine ältere Generation ist, die nun quasi ein Erbe weitergibt. Ich meine das weniger jetzt im finanziellen Sinne als vielmehr in einem Narrativ.

Da findet eine Übergabe statt von Know-how, von Kompetenzen und natürlich auch von Weltsichten, von Gedankenmodellen, wie denn die Welt ist und wie sie zu sein hat. Und da haben wir jetzt einen Konflikt. Denn da ist eine jüngere Generation, die nun verstanden hat, dass sie zum einen all diese Kosten tragen muss, die erstmal daraus entstehen, dass überhaupt jetzt wie gesagt Rentenzahlungen anstehen, dass Gesundheitskosten entstehen und so weiter.

Die zum anderen damit leben müssen, dass man über einen sehr langen Zeitraum das Thema Demografie und die damit verbundenen Themen einfach nicht angegangen ist oder zumindest nicht erfolgreich, nicht ausreichend angegangen ist. Das heißt, ihnen sind auch gleichzeitig die Optionsräume verkleinert worden, um dieses Thema gegebenenfalls zu lösen. Und sie bekommen darüber hinaus, da haben wir dann eine erste Verbindung zum Thema Klimawandel, einen Planeten übergeben, der kaputt ist.

Also die Lebensgrundlage ist nicht mehr so da, wie sie es vielleicht noch vor 100 Jahren, vor 50 Jahren war. Und das bedeutet, die sind eigentlich gefühlt Verlierer des Ganzen. Sie sind in der Situation, dass ihr Leben nicht mehr so gut aussehen wird, wie es vielleicht bei ihren Eltern aussah.

Das ist zumindest so eine mögliche Perspektive. Und das kann teilweise auch dazu führen, dass wir gerade in Industrienationen erhebliche Generationenkonflikte bekommen. Denn diese jüngere Generation hat ja auch ein Recht darauf, dass ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden.

Und so wie wir bis heute nicht in der Lage waren, darüber nachzudenken, wie denn eine Gesellschaft aussehen kann, welche Ressourcen, Strukturen und Prozesse wir brauchen, beispielsweise im Bereich Kultur und Bildung und Wohnen und Mobilität, um mit einer alternden Gesellschaft umgehen zu können, diese Gesellschaft lebenswert zu machen, haben wir das ja auch bei der jüngeren Generation nicht getan. Dann nehmen wir nun mal das Thema Kinderbetreuung, wo wir auch riesengroße Defizite haben. Und das macht es natürlich schwieriger.

Wir sehen überall Defizite, Defizite, Defizite, haben auf der anderen Seite aber die Situation, dass von außen ein noch weitergehender Transformationsdruck da ist. Und dann wird es natürlich sehr, sehr schwierig, die Menschen zu motivieren, die ersten Schritte zu gehen. Denn die Anzahl der Probleme wird riesig und dann haben die Menschen sehr oft das Gefühl, dass sie selber überhaupt keinen Einfluss mehr nehmen können.

Sie suchen eigentlich nach einer Möglichkeit, zu verstehen, was sie denn jetzt selbst tun können. Und damit ist es nicht gemeint, fliege nicht mehr, esse kein Fleisch mehr oder was auch immer oder habe fünf Kinder oder sowas, sondern wirklich in einer Idee, in einem Gedankengang, wie kann denn mein Leben, wie kann unser Zusammenleben denn eigentlich aussehen. Das ist nicht da, das ist nicht gegeben.

Und das führt dazu, dass wir diese Diskussion eher emotionalisieren, als dass wir versuchen, da jetzt zu Lösungen zu kommen und diese Lösung dann natürlich auch anzugehen. Und dann gibt es noch ein weiteres Thema, das für einen Transformationsdruck erzeugt und das zugegebenermaßen wirklich mehrdimensional ist, sowohl in dem, wie es strukturiert ist, als auch wie es wahrgenommen und diskutiert wird. Und das ist das Thema Migration.

In der aktuellen politischen Diskussion ist Migration primär etwas Negatives. Da geht es darum, dass Menschen aufgrund von Kriegen oder anderen Konflikten zu uns kommen. Da geht es um die Frage, was für Kulturen die mitbringen, ob das für uns gefährlich ist in irgendeiner Form.

Es geht auch um die ganz konkrete Überlastung von Kommunen beispielsweise, wenn Turnhallen nicht mehr genutzt werden können, weil dort eben Menschen unterkommen. Es geht um viele, viele Themen und viele Probleme. Nebenbei bemerkt, man könnte sich auch mal fragen, warum wir eigentlich bis heute nicht in der Lage waren, Ressourcen und Strukturen zu schaffen, die es uns ermöglichen würden, auf solche Flüchtlingsströme adäquat zu reagieren.

Das wäre ein ganz anderes Thema. Das hilft uns in der aktuellen Diskussion also nicht weiter. Was wir erleben ist gerade, dass es eigentlich in diesem Bundestagswahlkampf kontinuierlich darum geht, Migration ist böse.

Sie ist böse, weil es uns Ressourcen kostet. Sie ist böse, weil die Menschen gefährlich sein sollen. Sie ist böse, weil in irgendeiner Form dann neue Kulturen zu uns kommen und so weiter und so fort.

Das sind alles die Themen, die da so benannt werden, Land auf, Land ab. Auf der anderen Seite brauchen wir extrem viel Migration. Ich hatte ja gerade zum Thema Demografie davon gesprochen, dass wir einen großen Fachkräftemangel und einen großen Arbeitskräftemangel haben.

Und jetzt erleben wir, dass wir hunderttausende Menschen brauchen, die zu uns kommen, um bei uns zu arbeiten, um bei uns zu leben. Und natürlich kommen diese Menschen, wenn sie dann kommen, wenn sie überhaupt kommen, weil man darf nicht vergessen, da gibt es einen globalen Markt. Es gibt einen globalen Fachkräfte- und Arbeitskräftemarkt.

Und die Länder, die in der Lage sind, dieses Thema, wie soll ich sagen, so strategisch anzugehen, dass es für diese Menschen auch sinnvoll ist und interessant ist, zu kommen, das werden die Länder sein, die in der Zukunft dann Vorteile haben, weil dann dieser Mangel an Arbeitskräften, dieser Mangel an Fachkräften ausgeglichen werden kann. Aber wenn diese Menschen nun zu uns kommen, dann entstehen ja ganz neue Herausforderungen. Die eine Herausforderung ist, dass auch dann Ressourcen benötigt werden.

Das mögen andere Ressourcen sein, aber auch da brauchen wir beispielsweise Wohnraum. Wir benötigen auch Kinderbetreuung. Wir benötigen auch Strukturen, die es den Menschen helfen, hier anzukommen, sich beispielsweise durch den Wahnsinn deutscher Behörden und Verwaltungsprozesse zu kämpfen usw.

Das sind alles Sachen, die wir brauchen. Das heißt, wir brauchen dort erstmal mehr Ressourcen. Und wir brauchen auch ein Verständnis dafür, dass da neue Kulturen kommen.

Diese Menschen werden ja nicht ihre Kultur in irgendeiner Form an der Grenze oder jetzt bei der Einreise ablegen und dann irgendwie zu Deutschen werden. Ganz nebenbei, das sei mir erlaubt, dass ich das mal kurz erwähne, ich frage mich immer, was denn dieses Deutsche dann sein soll. Also ich habe in sehr vielen Bundesländern in Deutschland gelebt und habe festgestellt, dass allein innerhalb dieser Bundesländer es erhebliche kulturelle Unterschiede gibt.

Da mag es so sein, dass wir fast eine gemeinsame Sprache sprechen, wenn man die Dialekte jetzt mal wegdenkt, aber an sich gibt es da riesengroße Unterschiede. Also es ist für mich bis heute nicht ganz klar geworden, was denn da jetzt nun das Spezielle oder Spezifische sein soll. Und nein, für diejenigen, die das jetzt ganz kritisch sehen, was ich da sage, ich verschließe natürlich nicht die Augen vor möglichen kulturellen Konflikten.

Das ist überhaupt nicht der Fall. Aber ich finde diese Vereinfachung, diese Reduzierung des ganzen Themas nur auf das Thema, es müsse jetzt eine, wie es gab mal diese sinnlose Leitkulturdiskussion, die man ja nie mit Inhalten füllen konnte. Wenn man sich das mal so durchliest und mal anschaut, was damals so gefordert wurde, war das ja alles ziemlich inhaltslos.

Also das kann mir bis heute keiner sagen. Es wäre auch mal die Frage, ob dann diese Leitkultur auch für alle Deutschen dann gelten muss. Also alle Menschen, die keinen Migrationshintergrund in irgendeiner Form haben.

Und dann wäre ja auch noch mal die Frage zu stellen, was meinen wir überhaupt mit Migrationshintergrund? Wenn man meinen Namen hört, Christoph Deeg, ja, dann wird man sagen Mensch, das könnte, wo kommt der Name her? Der kommt nach meinem Wissen aus dem Holländischen. Also ich habe vielleicht auch einen Migrationshintergrund. Das Deeg, das kann man immer wunderbar sehen, wenn ich in Holland bin und in Niederlande, bitte um Entschuldigung, wenn ich in den Niederlanden bin und einen Supermarkt gehe und Nudeln kaufe, dann steht nämlich überall Deeg-Waren.

Das heißt so Deutsch. Mein Nachname heißt wahrscheinlich so viel wie Teig. Ich denke mal, vielleicht waren meine Vorfahren irgendwann früher in den Niederlanden ansässig und haben dort vielleicht als Bäcker gearbeitet oder als Nudelproduzenten. Keine Ahnung.

Also wir haben das Thema Migration. Das ist sehr komplex, weil es maximal emotionalisiert wird und weil es immer so verkauft wird, als die nehmen dir etwas weg.

Das ist übrigens auch wieder etwas, was wir erleben. Also wir haben, ich fasse noch mal zusammen, wir haben jetzt schon mal drei Themen. Wir haben den Klimawandel.

Und wenn man jetzt mal Klimawandel und Demografie zusammenfasst, stellt man fest, wir haben zum einen eine kulturelle Verbindung, weil wir sagen können, da gibt es jetzt eine jüngere Generation, die sagt, warum müssen wir eigentlich für die ältere Generation jetzt schuften, in Anführungsstrichen. Warum müssen wir da so viel tun und machen und so weiter und so fort und uns am besten auch noch dankbar zeigen, dass vielleicht ein paar von uns dann irgendetwas erben. Das ist ja erstmal eine nachvollziehbare Frage, wo wir doch eigentlich einen Planeten kriegen, der, Stichwort Klimawandel, eigentlich kaputt ist.

Wo wir doch eigentlich jetzt erleben, dass wir in die Reduktion unserer Optionsräume gehen, weil der Planet das nicht mehr aushält. Das funktioniert so nicht mehr. Und auf der anderen Seite müssen wir beispielsweise jetzt Städte neu denken durch den Klimawandel.

Die Städte heizen sich auf und gleichzeitig haben wir aber eine Situation, müssen die Städte auch neu decken, weil wir jetzt erheblich mehr Menschen haben, die älter sind. Und da müssen wir überlegen, funktionieren die Strukturen, die Angebote der Stadt dann noch. Und jetzt kommt das Thema Migration hinzu.

Wir haben also auch weniger Fachkräfte. Das erzeugt also auch weitere Probleme, weil beispielsweise die Wirtschaft sich nicht darauf konzentrieren kann, sich zum Thema Klimawandel irgendwo aufzustellen, sondern sie muss diesen Fachkräftemängel ja auch noch bearbeiten. Und dann gleichzeitig haben wir das Migrationsthema, was aber als Optionsraum so nicht funktioniert, weil das Narrativ genau das Gegenteilige ist.

Weil so getan wird, als wäre Migration kontinuierlich das Falsche. Jetzt verstehe ich natürlich, dass man in Bundestagswahlkämpfen oder auch allgemein in Wahlkämpfen dann immer ein bisschen weniger differenziert und einfach mal einen raushaut und so weiter und so fort. Das macht man ja dann, das ist auch normal, das machen auch alle Parteien.

Aber trotzdem ist es auffallend, dass wir da uns ein, das wird ja Jahre dauern, um dieses Narrativ einzuholen. Ich frage mich wirklich, wie wir es hinkriegen wollen, dass unsere Gesellschaft irgendwann dieses Narrativ komplett umtritt und sagt, wir wollen ja Migration haben, wir sind auch bereit, die Strukturen und Prozesse dafür umzubauen und anzupassen, damit Migration möglich ist. Und wir reden wie gesagt von Hunderttausenden von Menschen, die hoffentlich zu uns kommen, um mit uns zusammen dieses Land aktiv zu gestalten.

Und ja, dieses Land wird sich dann daraus resultierend auch verändern. Und wie diese Veränderung dann aussehen wird, das liegt an uns, das liegt an uns allen. Und damit beende ich diese dritte Podcast-Folge.

In der nächsten Podcast-Folge werde ich diesen Gedankengang, dieses Thema weiterverfolgen und ich werde mich mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen und der Frage, inwieweit auch Themen wie Gamification helfen können, uns dort einen neuen Zugang zu unserem eigenen Transformationsprozess zu ermöglichen. In dem Sinne, viel Spaß, transformiert euch, wo es möglich ist und bis dann. Ciao!

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.